Filmportrait und Wettbewerbsplakat: Umnutzung der Liebfrauenkirche zum Kolumbarium, Dortmund
Die Verwendung der Dokumentationsmaterialien darf nur im Zusammenhang mit der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Westfälischen Preises für Baukultur erfolgen.
Erläuterung des Büros Staab Architekten
Die Umnutzung von Kirchen stellt neben der inhaltlichen Fragestellung auch eine anspruchsvolle architektonische und denkmalpflegerische Aufgabenstellung dar. Im Falle der 1883 errichteten Liebfrauenkirche, die mit ihrem 74 m hohen Turm die Stadtsilhouette der Innenstadt Dortmunds prägt, bestand die Aufgabe darin, die Kirche in eine Grabeskirche umzuwidmen. Diese Aufgabe stellte nicht nur die Frage nach dem angemessenen Umgang mit der historischen Substanz des Bauwerks, sondern auch die Frage nach dem Umgang mit den atmosphärischen Eigenheiten des vorhandenen Kirchenraumes dar. Sowohl die Frage nach dem angemessenen Ort für das Ritual der Urnenbestattung, als auch der Umgang mit dem bestehenden Kirchenraum standen also im Vordergrund
der Überlegungen.
Mit dem Vorschlag sämtliche Urnengräber flächig auf dem Kirchenboden anzuordnen, gelingt eine einfache Antwort auf diese beiden vordringlichen Aspekte. In der friedhofsähnlichen Anordnung des Urnenfeldes wird eine Analogie zur traditionellen Erdbestattung gesucht. Durch die bodenbezogene Position des Urnengrabes kommt das Ritual dem der Erdbestattung nahe, bei der durch die Übergabe des Leichnams an die Erde der Kreislauf von Leben und Tod versinnbildlicht wird. Andererseits bleibt bei dieser nur ca. 80 cm hohen Installation der bestehende Kirchenraum die räumlich und atmosphärisch wirksame Dominante.
Für die Materialisierung der Urnenbehälter und Urnenpodeste wurde Baubronze ausgewählt. Durch dieses leicht korrodierendes Material wird die Erdbezogenheit dieser Anordnung unterstützt. Die beinahe holzfarbene Tönung und die Höhe der Urnenpodeste scheinen auf den ersten Blick dem vertrauten Bild der Kirchenbestuhlung zu entsprechen. Die Belegung der Urnenplätze lässt sich an der Bearbeitung und Gestaltung der Urnenabdeckungen erkennen. Während die unbelegten Urnenplätze mit einer glatten unbehandelten Platte abgedeckt werden, erhalten die belegten Plätze eine individuell gestaltete, Grabplatten aus Bronzeguss, die mit Kerzenhaltern und Vasen bestückt werden kann.
Der freigehaltene Mittelgang ermöglicht die Zeremonie der Trauerfeier in der Trauerkapelle im Chor. Von hier aus bewegt sich, ähnlich der Zeremonie auf dem Friedhof, die Trauergemeinde zu dem Urnengrab zur Übergabe der Urne an ihren vorbestimmten Platz. Zur vertrauten Tagesbelichtung durch die vorhandenen Kirchenfenster kommt eine Kunstlichtbeleuchtung als ergänzende Beleuchtung in den winterlichen Abendstunden oder zur atmosphärischen Unterstützung einer Feierlichkeit hinzu. Durch die Kunstlichtanordnung im Bereich der Kapitelle entlang des Hauptschiffes wird eine Betonung des Kirchenraums einerseits und eine gleichmäßige Ausleuchtung des Urnenfeldes andererseits erreicht.
Insgesamt war es das Ziel, mit dieser sehr reduzierten Gestaltung eine ruhige, kontemplative aber doch einzigartige Atmosphäre zu erzeugen.
Begründung der Jury vom 19. Juni 2015
Der Umbau einer nicht mehr genutzten Kirche zu einem Columbarium ist naheliegend und eine mittlerweile häufiger praktizierte Nachnutzung, besonders in stadtbildprägenden Situationen wie hier. Dieser perfekt gestaltete Einbau in einen Kirchenraum ist aber insofern bemerkenswert, als auf eine übliche Stapelung der Urnengräber in die Höhe verzichtet wurde zugunsten einer flächigen Bestattungsweise am Boden, die einerseits unserer traditionellen Erdbestattung, andererseits dem Bild einer üblichen Kirchenbestuhlung näher kommt. Davon profitiert der schöne, großzügige sakrale Innenraum, der unberührt erhalten werden konnte, und der den freien Blick auf den Chor gewährleistet. Dies alles und das gedämpft einfallende Licht der farbigen alten Fenster sichern eine würdige Atmosphäre.
Nicht nur, dass das homogene, minimale Styling der Einbauten in Baubronze einen angemessenen Rahmen für die individuelle Gestaltung gewährleistet und dauerhafte Akzeptanz zu versprechen scheint, konnte durch geschickte Integration von Sitznischen der längere Aufenthalt von Hinterbliebenen gewährleistet werden. Entstanden ist würdiger Rahmen, ein Ort der Kontemplation und der Zwiesprache mit den Toten, aber auch der Begegnung innerhalb des Stadtviertels. Der ursprünglich direkt um Kirchen angeordnete Friedhof kommt so in den Kirchenraum selbst zurück. Eine Anerkennung!