Filmportrait und Wettbewerbsplakat: Neubau einer vierläufigen Treppe am Schloss Steinfurt als Interpretation der abgetragenen historischen Schlosstreppe, Steinfurt-Burgsteinfurt
Die Verwendung der Dokumentationsmaterialien darf nur im Zusammenhang mit der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Westfälischen Preises für Baukultur erfolgen.
Erläuterung des Architekten Christoph Achterkamp
Historischer Bestand
In der Hauptachse der Großen Allee des Bagnos war an der Ostfassade, vor dem Konzertsaal des Schlosses, eine vierläufige Treppenanlage. Sie bestand aus zwei kreisförmigen Läufen, die vom Fußweg entlang der Gräfte auf je einem Zwischenpodest, in einer Höhe von 2,85m über dem Gelände führten. Von hier aus verbanden zwei gerade Treppenläufe die Zwischenpodeste mit dem Zugangspodest vor dem Konzertsaal in einer Höhe von 4,05m. Von dem südlichen Zwischenpodest führte ein Balkon entlang des Ovalen Saales bis zum Blumengang. Die Balkonplatte war aus Stahlbeton, die Treppenanlage aus Mauerwerk mit Sandsteinstufen und Sandsteinpodesten. Ein schmiedeeisernes Geländer und eine Pergola im Bereich der oberen Läufe und des Zugangspodestes vor dem Konzertsaal ergänzten die Anlage.
Sanierung
Bei Sanierungsarbeiten im Sommer 2013 wurde die Baufälligkeit der Anlage festgestellt und in Absprache mit den zuständigen Denkmalbehörden die Abtragung der Treppenanlage beschlossen. Aufgrund der geringen Tragfähigkeit des Baugrundes (Bodengutachten), wurde die Ausführung der neuen Treppe in Stahl, als zeitgenössische Konstruktion, beschlossen.
Ausführung
Die neue Treppe erinnert in Grund- und Aufriss an die alte Treppe. Sie wiederholt in Ihren Bestandteilen die Elemente der historischen Treppe. Die Umsetzung des Bauwerks aus Stahl, erfordert eine neue Interpretation der historischen Treppe in Ihren tektonischen Grundelementen zu einer neuen logischen Konstruktion.
Die Treppenläufe werden daher nicht als Wangentreppe ausgeführt, sondern additiv aus miteinander verschraubten Einzelstufen zusammengesetzt. Das Geländer ist Bestandteil des additiven Systems, ähnlich der Treppenkonstruktionen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts auf Schloss Granitz auf Rügen oder der ehemaligen Sternwarte in Bonn von Karl Friedrich Schinkel.
Die Läufe werden ab der Geländeoberfläche über eine Blockstufe aus Sandstein, mit den in der Burgwand verankerten Zwischenpodesten frei gespannt. Im Bereich des Balkons werden die einzelnen Elemente wie Brücken auf die bestehenden Kragsteine des Vorgängerbauwerks aufgelagert. Das Podest vor dem Zugang zum Blumengang wird als Kragkonstruktion ausgebildet und ermöglicht so den freien Blick in die Parklandschaft als "Kleine Neugierde". Im Bereich der Treppen werden die Geländerstäbe bis zur Oberkante des Geländes hinuntergeführt und umschreiben so das historische Volumen der ehemaligen Anlage.
Die historischen Blockstufen und die Beläge der Podeste aus Sandstein werden als Bodenrelief unter der Stahltreppe, als Erinnerung an das historische Bauwerk, versetzt. So entwickelt sich die neue Freitreppe als filigranes zeitgenössisches Bauwerk aus dem Bodenrelief, dem Abdruck des historischen Bauwerks.
Material
Bodenrelief aus den ehemaligen Blockstufen und Podestbelägen aus Sandstein.
Stahltreppe, bestehend aus miteinander verschraubten Stahlblechen und Rundstahlkonstruktionen.
Oberfläche: Glimmerlack grau.
Begründung der Jury vom 19. Juni 2015
Das Schloss in Steinfurt, eine eindrucksvolle Wasserburg auf zwei von der Steinfurter Aa umflossenen Inseln im Ortsteil Burgsteinfurt, gehört zu den bekanntesten Burgen im Münsterland. Die Schlossanlage spiegelt die Geschichte der Dynasten in ihrer gut erhaltenen Bausubstanz vom 12. bis ins 19. Jahrhundert mit Zufügungen aus allen Epochen.
Die Bauaufgabe, die Sanierung der Schlosstreppe an der Ostfassade - ein augenscheinlich kleines Thema, fordert vom Architekten besonderes gestalterisches, konstruktives wie technisches Geschick. Bildet die Schlosstreppe an der Ostfassade doch den imposanten Abschluss der Hauptachse der Großen Allee und des angrenzenden Bagnoparks.
Eine beabsichtigte Sanierung der Treppe im Bestand stellte sich aufgrund statischer Gegebenheiten als nicht machbar heraus. Die Weiterverwendung der historischen Blockstufen und die Beläge der Podeste aus Sandstein als Erinnerung an das historische Bauwerk gelang aber, indem diese als Bodenrelief unter einer neuen leichten Stahltreppe verlegt wurden. So entwickelt sich die neue Freitreppe als filigranes zeitgenössisches Bauteil aus dem Bodenrelief, dem Abdruck des historischen Bauwerks.
Der vorbildliche, sensible Umgang des Architekten mit der historischen Bausubstanz, die Berücksichtigung von denkmalrechtlichen Belangen und den Vorgaben der Nutzer forderte Verhandlungsgeschick durch Moderationsvermögen, Planungs- und Gestaltungssicherheit. Das Ergebnis - Die neue Treppenanlage der Gegenwart - fügt sich nun wie selbstverständlich in die Fassade der Burg. Dieses vorbildlich umgesetzte Projekt – die Sanierung der Schlosstreppe am Schloss Steinfurt - verdient eine Anerkennung im Rahmen des Westfälischen Preises für Baukultur 2015.